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Aufruf

Sehr geehrte Damen und Herren,

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen.

Am 30. September 2008 jährt sich zum 70sten mal, dass jüdischen Ärztinnen und Ärzten verboten wurde, ihren Beruf auszuüben. Zum 31.1.39 wurde die entsprechende Verordnung auch auf die jüdischen Zahnärzte, Tierärzte sowie Apotheker ausgeweitet. Für die Betroffenen und ihre Familien eine bis dahin unvorstellbare Fortsetzung der schon erlebten gesellschaftlichen Diskriminierung und Ausgrenzung, auch wenn in der Presse schon seit Jahren – unterstützt durch einflussreiche Verbände der Ärzteschaft (Hartmannbund) und in den von den Nationalsozialisten neu geschaffenen Standesorganisationen – gegen sie gehetzt wurde. Für 3152 Ärztinnen und Ärzte im „Reichsgebiet“ bedeutete dies die Vernichtung ihrer beruflichen Existenz. Viele wählten den verzweifelten Ausweg des Suizids. Erzwungenes Exil und das unermessliche Leid der systematischen Verfolgung und Ermordung in den Vernichtungslagern folgten: In München für mindestens 270 Ärztinnen und Ärzte.

1988: Aus Anlass des 50sten Jahrestages erscheint die Dokumentation „Schicksale jüdischer und ‚staatsfeindlicher’ Ärztinnen und Ärzte nach 1933 in München“*. Erstmals wird ihrer öffentlich gedacht: 270 Münchner Bürger, die meisten Ärztinnen und Ärzte im weißen Kittel, tragen je eine Tafel mit dem Namen einer der in der Dokumentation genannten Personen schweigend zum Platz der Opfer des Nationalsozialismus und legen diese am Mahnmal ab. * Renate Jäckle (Hrsg. „Liste Demokratischer Ärztinnen und Ärzte München“) – „Literaturhandlung“, Fürstenstr. 17

1998: Zum 60sten Jahrestag findet eine Gedenkveranstaltung des Ärztlichen Kreis- und Bezirksverbandes im Auditorium Maximum der Universität statt (Festvortrag: Prof. Klaus Dörner). Ein halbes Jahr später im Alten Rathaussaal die Veranstaltung „60 Jahre danach …Gedenken, aber wie?“. Referate eines Zeitzeugen, Dr. Heinz Pollak (Wien) und des Historikers Prof. Wolfgang Benz (Zentrum für Antisemitismusforschung an der TU Berlin) bereiten eine anschließende Diskussionsrunde zum Thema vor. Beziehungsreich der Ort der Veranstaltung: Auf dem gleichen Parkett trafen sich am 9. November – ebenfalls vor 60 Jahren – Hitler, Göring und andere Nazigrößen, um den Putsch von 1923 zu feiern. Als die Nachricht vom Tod des Pariser Diplomaten von Rath, auf den ein Attentat verübt worden war, eintraf, nutzte Goebbels dies als Anlass, um zum Massenpogrom gegen die jüdische Bevölkerung aufzurufen: Noch in der gleichen Nacht werden 91 ermordet, 30 000 in Konzentrationslager verschleppt, 191 Synagogen durch Brandstiftung zerstört und 7500 Geschäfte verwüstet und ausgeraubt. Die Vernichtung der Existenz aller jüdischen Ärztinnen und Ärzte ist Vorbote und Teil dieses verbrecherischen Kapitels deutscher Geschichte.

2008?: In einer Veranstaltung im Gasteig (5. Oktober) soll mit einem Kulturprogramm des Jahrestages gedacht werden. Zusätzlich soll der Film „Professor Mamlock“ nach einem visionären Stück (Erstaufführung 1934) von Friedrich Wolf – jüdischer Arzt, Kommunist, 1935 mit Bert Brecht, Erika Mann und vielen anderen Kritikern des Nazi-Regimes ausgebürgert – gezeigt werden.

Viele weitere Projekte sind denkbar: Es wäre z.B. großartig, wenn zur gleichen Zeit in einer Ausstellung auf Grundlage der Informationen der o.g. Dokumentation, an das Wirken der jüdischen Ärztinnen und Ärzte erinnert werden könnte; Würdigung in Artikeln in Tages- und Wochenzeitungen; Veranstaltungen (z.B. des Münchner Ärztlichen Kreis- und Bezirksverbandes und/oder der Landesärztekammer) u.v.a.m.

Uns beiden, praktizierende Ärzte in München, ist es ein persönliches Anliegen, dass aus Anlass des 70sten Jahrestages des Approbationsentzuges dieser Menschen und ihrer Schicksale wieder gedacht wird. Wir nehmen gerne Vorschläge entgegen, verstehen unsere Initiative aber vor allem als Anstoß und Chance für die Vernetzung vielfältiger eigenständiger und breit gestreuter Aktivitäten. Zur Information und zum Austausch wird Anfang 2008 eine Internetseite eingerichtet werden: www.Jahrestag-Approbationsentzug.de

Dr. Hansjörg Ebell / Dr. Borys Salamander München, im September 2007